Verstoßen Namensschilder an der Tür gegen die DSGVO? Wie eine vermeintliche Nebensächlichkeit wochenlang für Wirbel sorgte
So bizarr der folgende Fall auch erscheint: Es handelt sich um ein Paradebeispiel, wie die nicht verstandene DSGVO bei Dienstleistern und Verbrauchern für Angst und Panikmache sorgt, die von den Medien fleißig weitergetragen wird. Bis ein Machtwort des Bundesdatenschutzbeauftragten dem Spuk ein Ende setzte. Doch der Reihe nach.
Wenn eine Einzelbeschwerde die ganze Branche unter Zugzwang setzt
In Wien hatte sich ein Mieter darüber beschwert, dass jedermann seinen Namen auf der Türklingel lesen könne. Nun könnte man meinen, genau dafür sei das Namensschild auch dort platziert worden. Der Beschwerdeführer allerdings sah hier den Datenschutz mangelhaft umgesetzt und berief sich auf die seit Mai geltende DSGVO.
Die angesprochene Hausverwaltung Wiener reagierte prompt und kündigte an, bei ihren immerhin 220.000 Wohnungen die Namensschilder zu entfernen und durch Nummern zu ersetzen. Dann sprang das Problem nach Deutschland über. Mit der steilen These: „Es gibt aktuell keine Rechtssicherheit“ ließ sich der Präsident von Haus & Grund Deutschland Kai Warnecke zitieren. Er steht dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer vor, der rund 90.000 Mitglieder hat.
Seine dringende Empfehlung an die privaten Eigentümer in seinem Verband: Klingelschilder mit Namen sollten aus Mietshäusern entfernt und durch Nummern oder Symbole ausgetauscht werden. Sonst drohten massive Strafen. Von 20 Millionen Euro Bußgeldern war die Rede. So kam die Geschichte in die Medien. Der Aufschrei war groß. Und einmal mehr waren Image und Akzeptanz der neuen Datenschutzgrundverordnung angekratzt. Warnecke legte nach, indem er feststellte: „Die DSGVO muss darauf reduziert werden, wofür sie gemacht wurde. Und zwar um die Datensammelwut von weltweit agierenden Internetkonzernen wie Google und Facebook zu begrenzen.“ Und jetzt trifft es also wieder einmal die Falschen?
Für viele Vermieter ist Datenschutz noch immer ein heikles Thema
Die schrillen Alarmrufe der Eigentümerlobby offenbaren auch einen anderen Aspekt. Viele Haus- und Wohnungseigentümer sind seit Ende Mai zutiefst verunsichert, wie sie es mit der Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten halten. Vermieter sind angehalten, bei jedem Vorgang, der sie in Datenkontakt mit Dritten bringt, die Konformität mit der DSGVO zu überprüfen.
Offensichtlich scheint es hierbei einiges an Unklarheiten und informativem Nachholbedarf zu geben. In diesen Grauschleier aus Nicht- und Halbwissen war dann die „Causa Klingelschild“ geplatzt. Noch vor Aufnahme des eigentlichen Mietverhältnisses setzt der Datenschutz ein. Zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme dürfen von Mietinteressenten lediglich allgemein gehaltene „Steckbriefe“ eingeholt werden, aber keine Gehaltsangaben oder Schufa-Auskünfte. Dafür bedarf es in der frühen Anbahnungsphase einer schriftlichen Einwilligung des Interessenten.
Wenn es konkreter wird, füllt dieser eine „freiwillige Selbstauskunft“ aus – dies ist mit der DSGVO auch in Zukunft vereinbar. Ist der Mietvertrag zustande gekommen, müssen die gesammelten Daten der Selbstauskunft umgehend vernichtet werden. Wird das versäumt, können die Bußgelder horrende Höhen erreichen. Aber fallen nun namenstragende Klingelschilder unter die DSGVO-Bestimmungen?
Namensschilder erlaubt, da keine automatisierte Datenverarbeitung
Nach Einlassungen ihrer Kolleginnen meldete sich schließlich die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff – und gab Entwarnung: „Das Ausstatten der Klingelschilder mit Namen für sich genommen stellt weder eine automatisierte Verarbeitung noch eine tatsächliche oder beabsichtigte Speicherung in Dateisystemen dar.“ Denn das Regelwerk der DSGVO greift nur bei automatisierten Datenverarbeitungen und Dateien.
Diese Erkenntnis vertreten auch diverse Fachanwälte und Politiker wie der netzpolitische Sprecher der Grünen-Faktion Konstantin von Notz. Weil sie analog seien, könne man bei Klingelschildern nicht von einem datenschutzrechtlichen Verstoß sprechen: „Offensichtlich geht es hier einmal mehr darum, die Menschen mit derartigen Absurditäten zu verunsichern und substanzlos gegen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung zu wettern.“
Schade nur, dass die vielen Juristen im Umkreis der genannten Hausverwaltung und des Vermieterverbands ihren Klienten im ersten Panikreflex gefolgt waren, statt zur Aufklärung dieser bei näherer Betrachtung eher überschaubaren Problematik beizutragen.
Unabhängige Datenschutz-Juristen teilen indes bereitwillig mit, dass der Schutz personenbezogener Daten durch die DSGVO in einer Zeit wachsender Digitalisierung grundsätzlich notwendig ist. Wohnt man aber über einen schon längeren Zeitraum in einem Mietshaus und ist dort kein Unbekannter, sollte dies kein datenschutzrelevanter Haftungsgrund des Vermieters sein. Dieser sei aber durchaus gut beraten, wenn er seine Mieter über derlei Maßnahmen informiert und sich zudem eine Einwilligung besorgt.
Mieter müssen ihre postalische Erreichbarkeit sicherstellen
Während also nach geltendem Recht Vermieter die Namen ihrer Mieter auf Klingelschilder drucken dürften, ohne diese ausdrücklich nach ihrem Einverständnis zu befragen, gibt es auch einen Mittelweg. So manche Hausverwaltung oder Wohnungsgesellschaft bringt selbst gar keine Namensschilder an, sondern legt diese dem Mietvertrag bei oder kümmert sich erst gar nicht darum. Dann entscheiden die Mieter selbst, wie sie die Beschilderung handhaben. Wie auch immer – eine Bedingung müssen sie aber erfüllen: Jeder Mieter hat dafür zu sorgen, dass er postalisch erreichbar ist.
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