Datenschutzwissen

Kinderpornographie: Verhindert Datenschutz die Strafverfolgung?

Wenn Zehntausende mögliche Straftäter aus Datenschutzgründen nicht zur Verantwortung gezogen werden können, scheint etwas grundsätzlich nicht zu stimmen. Vor allem im Bereich Kinderpornografie sind die jüngsten Zahlen von verhinderten Fahndungen aufgrund des Datenschutzes ein Alarmsignal.

Verdächtige Anschlussinhaber bleiben unerkannt

2023 gingen beim Bundeskriminalamt (BKA) mehr als 180.000 Hinweise auf kinderpornografische, digitale Inhalte ein. Absender war das US-amerikanische National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). Viele dieser Hinweise waren mit IP-Adressen verknüpft, die eine Identifikation von internetfähigen Geräten ermöglichen. Aus Datenschutzgründen sind dem BKA weitgehend die Hände gebunden, solche Verdachtsfälle selbst zu ermitteln. Das ist aber nicht einmal die schlechteste Nachricht in diesem Zusammenhang.

Von diesen Hinweisen mussten nun 16.923 Verfahren zu Kinder- und Jugendpornografie bei Internetnutzern aus Deutschland endgültig unaufgeklärt eingestellt werden. Hintergrund: Obwohl die zu möglichen Tätern führenden IP-Adressen der Kriminalbehörde vorlagen, waren diese von ihr nicht gespeichert worden. Denn weil es keine verpflichtenden Regeln über diese sogenannte Verkehrsdatenspeicherung gibt, wurden diese „digitalen Fingerabdrücke“ nicht genutzt. Politiker, wie Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU), warnen nun vor unerkannten Tätern im fünfstelligen Bereich und sprechen von „digitalen Sicherheitslücken“.

Täter können sich sicher fühlen

Nach Angaben des BKA hat die Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten allein zwischen 2015 und 2022 um 600 Prozent zugenommen. Das diese Explosion an digitalen Straftaten überhaupt möglich ist, beruht zu einem Gutteil auf der nicht vorhandenen Speicherpflicht von IP-Adressen. Dabei könnten, so Gentges, diese nur im Notfall für eine Fahndung genutzt werden. Die private Kommunikation und weitere persönliche Inhalte lassen sich ohnehin nicht aus der IP-Adresse herauslesen.

Zurzeit können die einschlägigen Straftäter also darauf vertrauen, dass ihnen kein deutscher Fahnder in den Weiten des Internets auf die Schliche kommen kann. Demgegenüber ließen sich – wieder nach Angaben des BKA – allein bei einer nur einmonatigem Speicherung schon 90 Prozent der verdächtigen IP-Adressen zuordnen. Gegenüber den Medien forderte die Justizministerin deshalb: „Wenn wir hier nicht handeln und eine Mindestdauer zur Speicherung von IP-Adressen festlegen, erlauben wir Tätern weiterhin, sich hinter der Anonymität des Netzes zu verstecken.“

Wann dürfen Verschlüsselungen ausgehebelt werden?

In einem anderen Bereich der Strafverfolgung scheint sich etwas zu tun, damit nicht der fatale Eindruck entsteht, Datenschutz sei Täterschutz. So hatte eine High-Level-Arbeitsgruppe der EU zum Zugang zu Daten für eine wirksame Strafverfolgung den Strafverfolgungsbehörden empfohlen, in einem „Lawful Interception“ genannten Verfahren Verschlüsselungen zu unterlaufen, um brisante Daten überwachen und abfangen zu können. Allerdings bleibt diese Empfehlung unkonkret und sagt nichts über die zu verwendenden Technologien aus.

Inzwischen haben Verbände und Nicht-Regierungsorganisationen in einem offenen Brief Stellung genommen. Sie weisen auf die Undurchführbarkeit der EU-Pläne hin. Speziell wurde moniert, dass eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht unterlaufen werden könne, ohne die Sicherheit des Kommunikationssystems zu gefährden. Das aber ist freilich von den Vordenkern der EU nicht gewollt. In einem Anhörungsverfahren sollen nun im Februar 2025 die Unterzeichner des offenen Briefs mit der Arbeitsgruppe in die Diskussion treten können. Dabei wird es auch darum gehen, dass die jüngsten chinesischen Hackerangriffe in den USA gerade jene vermeintlich verborgenen Zugänge nutzen konnten, die sich eigentlich die Strafverfolger für ihre Zwecke eingerichtet hatten.

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